2. Die Hochschule

Das Hochschulsystem in Deutschland wird von zwei grundlegenden Hochschultypen bestimmt: der wissenschaftlichen Hochschule und der Fachhochschule. Zu den wissenschaftlichen Hochschulen gehören Universitäten, Technische Hochschulen, Theologische und Pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen sowie Gesamthochschulen (Peisert/Framhein 1994, S. 32). Zu ihren Aufgaben zählt die Weiterentwicklung der Wissenschaft durch Lehre und Forschung (Sauter-Sachs 1992, S. 75). Sie besitzen das Promotions- und das Habilitationsrecht. Zu den Fachhochschulen gehören als Spezialform auch die Verwaltungsfachhochschulen. Kennzeichnend für die Fachhochschulen ist die praxisbezogene Ausbildung. Forschung spielt bei diesem Hochschultyp eine untergeordnete Rolle. Sie ist auf anwendungsbezogene Forschung beschränkt und eng am Ausbildungsauftrag orientiert (Nietiedt 1996, S. 26). Zudem haben sie kein Promotions- und Habilitationsrecht. Ich werde mich im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf die wissenschaftlichen Hochschulen, speziell die Universitäten und Technischen Hochschulen, konzentrieren, da sie den größten Teil der Studierenden auf sich vereinigen und bedeutenden Anteil an den Forschungsleistungen des Hochschulsektors haben. Mit dem Lehr- und Forschungsauftrag gelten sie als klassische Vertreter der Hochschule. Für diesen Hochschultyp werde ich im folgenden die Begriffe Hochschule und Universität synonym gebrauchen.

Das Objekt dieser Studie, die Universität, ist zweifelsohne eine Organisation, denn sie ist ein soziales Gebilde, verfolgt dauerhaft ein Ziel und weist eine formale Struktur auf, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden (vgl. Kieser/Kubicek 1992, S. 4). Ausgehend von der Organisationstheorie beschreibt Nolte die Hochschule als "sozio-technisches System" (1998, S. 11). Dieses Modell stellt die "wechselseitigen Verflechtungen zwischen den sozialen und technischen Aspekten einer Organisation heraus." (Kunczik 1993, S. 180) Es macht die Wechselwirkungen innerhalb der Organisation Hochschule sichtbar und verweist dabei auf die Kommunikationsbeziehungen zwischen den Systemkomponenten. Nolte unterscheidet fünf Komponenten: interne und externe Bedingungen, Aufgaben und Ziele, Aufgabenerfüllungsprozesse, Effizienz und organisatorische Regeln. (Nolte 1998, S. 11f.) Diese Dimensionen werde ich im folgenden an unterschiedlichen Stellen wieder streifen, um die Institution Hochschule zu beschreiben. Zunächst soll die Organisationsstruktur der Hochschule dargestellt werden. Im sich anschließenden Abschnitt werde ich mich mit den Aufgaben und der Funktion der Universität befassen, wobei der besondere Schwerpunkt auf den Thesen von Daxner (1996) liegt. Aufbauend auf der historischen Entwicklung des Hochschulsystems ist danach die Entstehung der derzeitigen Krise nachzuvollziehen. Die Kernelemente der aktuellen Diskussion um die Hochschulreform sollen herausgearbeitet und verschiedene Lösungsansätze verglichen werden. Im abschließenden Abschnitt werde ich die aktuelle Situation der Hochschule zusammenfassen und ihren dringenden Kommunikationsbedarf begründen.

2.1 Die Organisationsstruktur der Hochschule

Die Verantwortlichkeit für Bildung und Wissenschaft liegt im Kompetenzbereich der Länder (Kulturhoheit der Länder). Wichtig ist trotzdem die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich, da eine größtmögliche Einheitlichkeit der Bildungsverhältnisse in allen Teilen Deutschlands gewahrt bleiben soll. Der 1957 gegründete Wissenschaftsrat ist ein Beleg dieser Kooperation. Im Grundgesetz wurde 1969 verankert, daß Bund und Länder gemeinsam sog. "Gemeinschaftsaufgaben" verfolgen, z. B. beim Hochschulbau. Gleichzeitig wurde dem Bund das Recht erteilt, Rahmenvorschriften für das Hochschulwesen zu erlassen. 1976 trat das Hochschulrahmengesetz (HRG) in Kraft, das erstmals einen einheitlichen, länderübergreifenden rechtlichen Rahmen für das Hochschulwesen schuf. Die Hochschulgesetze der Länder haben sich entsprechend einzupassen. (vgl. Peisert/Framhein 1994, S. 6ff.)

Die Hochschulen in Deutschland sind mit wenigen Ausnahmen staatliche Einrichtungen der Länder mit Selbstverwaltungsrecht, müssen sich allerdings an Maßgaben des Staates orientieren (s. o.). Die Selbstverwaltung der Hochschulen ist im HRG § 58 Abs. 1 geregelt, basierend auf der Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre im GG § 5 Abs. 3. Nolte beschreibt daher das Führungssystem der Hochschulen als "komplexe Mehrebenenkonstellation interner und externer Entscheidungsträger" (1998, S. 16). Die externe Entscheidungsbefugnis der Länder äußert sich in der Rechtsaufsicht ebenso wie in der Fachaufsicht in den Bereichen Personal-, Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltsverwaltung. Diese gründet sich hauptsächlich auf der öffentlichen Finanzierung der Hochschulen. Trotz wachsender Drittmittelaufkommen werden die Universitäten überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterhalten. (Nietiedt 1996, S. 28f.) Die wichtigsten internen Entscheidungsgremien sind – auf oberster universitärer Ebene – die zentralen Kollegialorgane Senat und Konzil. Beide werden, entsprechend dem Prinzip der Gruppenuniversität, von den im HRG definierten Statusgruppen Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiter und Studierende gebildet. Der Konzil, sozusagen die Generalversammlung, wählt den Rektor und die Prorektoren, diskutiert deren jährlichen Rechenschaftsbericht und entscheidet über die Grundordnung der Universität. Der Senat ist für alle Angelegenheiten zuständig, die die gesamte Hochschule oder die Zentralen Einrichtungen betreffen, darüber hinaus behandelt er aber auch hochschulpolitische Grundsatzfragen. (vgl. Nietiedt 1996, S. 39ff.)

Die Organisationsstruktur der Hochschule ist von einer Drei-Ebenen-Gliederung (Zentral-, Fachbereichs- und Institutsebene) geprägt. Das Rektorat ist das oberste Leitungsorgan. Es setzt sich aus dem Rektor, den Prorektoren und dem Kanzler zusammen. Während der Kanzler Leiter der Hochschulverwaltung ist, haben Rektor und Prorektoren als akademische Spitze die Aufgabe der Repräsentation und Interessenvertretung. Innerhalb der Universität überwacht das Rektorat die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben aller Organe. Die zweite Ebene setzt sich aus den Fachbereichen bzw. Fakultäten zusammen, die "die organisatorische Grundeinheit der Hochschule in Forschung und Lehre" (ebd., S. 38) darstellen. Das oberste beschlußfassende Gremium ist der Fachbereichsrat, der sich aus Mitgliedern der vier Statusgruppen konstituiert. Der Dekan ist Vorsitzender des Fachbereichsrates und vertritt den Fachbereich innerhalb der Hochschule als dessen Sprecher. Auf der dritten Ebene sind die Institute als Bestandteile der Fachbereiche organisiert. Die Struktur ähnelt der auf Fachbereichsebene. Ein aus Mitgliedern der Statusgruppen zusammengesetzter Institutsrat beschließt alle in die Zuständigkeit des Instituts fallenden Angelegenheiten. Vertreter des Instituts nach außen ist ein Geschäftsführender Direktor.

Die große Nachfrage nach Studienplätzen hat spätestens in den siebziger Jahren dazu geführt, daß die Universitäten in Größe und Komplexität Großunternehmen immer ähnlicher wurden. Dabei entspricht die Grundstruktur der Hochschule organisationstheoretisch der eines dezentral geführten Unternehmens. Auf der zweiten Hierarchieebene gliedert sich die Universität in einzelne, relativ autonome Sparten (Fachbereiche bzw. Fakultäten) auf. Entscheidungen werden dort getroffen, wo die fachliche Kompetenz angesiedelt ist. Der Universitätsleitung bleiben die Aufgaben Steuerung und Kontrolle. Damit findet das Selbstverwaltungsrecht seinen Ausdruck in der Organisationsstruktur. Als Nachteile dieser Struktur sind die Gefahr von Konkurrenzkämpfen um knappe Güter, mangelnde Kooperation zwischen den Fachbereichen, Koordinationsschwierigkeiten und fehlende Identifikation der Organisationsmitglieder mit der Gesamtinstitution zu nennen. Diese Probleme sind "oftmals eine direkte Folge der Spartenorganisation" (Nietiedt 1996, S. 41) und damit systemimmanent. (ebd., S. 40f.)

Die besondere Struktur der Hochschulen ist durch die Selbstverwaltung und das Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre gekennzeichnet. Die Autonomie der Wissenschaftler geht allerdings einher mit Koordinations- und Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Organen und Einrichtungen. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch die externen Entscheidungsbefugnisse von Bund und Ländern. Besonders groß und offensichtlich ist der Einfluß in Fragen der Finanzausstattung der Universitäten. Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, daß innerhalb der Hochschulen aufgrund der Organisationsstruktur ein beträchtlicher Kommunikationsbedarf vorhanden ist. Dazu tritt die Notwendigkeit, Kommunikationsprozesse mit den externen Entscheidungsträgern zu unterhalten.

2.2 Aufgaben und Funktion der Hochschule

Der Auftrag der Hochschule leitet sich formal aus den entsprechenden Gesetzen von Bund und Ländern ab. Allerdings gibt Daxner zu bedenken, daß es der Öffentlichkeit derzeit nicht mehr klar ist, wozu und in welchem Zustand man Wissenschaft und Hochschulen in Zukunft braucht (1996, S. 11). Nietiedt macht eine weitreichende "Orientierungskrise" (1996, S. 1) aus. Die Entstehung und aktuelle Lage der Krise des Hochschulsystems soll in den folgenden Kapiteln (2.3 und 2.4) diskutiert werden. An dieser Stelle möchte ich dagegen eine Leitidee für die Zukunft der Universität vorstellen, die der damalige Präsident der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, Michael Daxner, entwickelt hat. Auf dieser Grundlage werde ich anschließend die Frage nach den Aufgaben der Hochschule klären.

Daxners Leitgedanken für die Stellung der Hochschulen in der Gesellschaft basieren auf zwei grundlegenden Prämissen: der republikanischen und der ökologischen Option. Das republikanische Prinzip geht von der Annahme aus, daß Wissenschaft eine öffentliche Sache ist, eine "res publica" (Daxner 1996, S. 193). Damit befinden sich die Hochschulen in öffentlichem Eigentum, alle Menschen einer Gesellschaft sind Eigentümer mit den entsprechenden Rechten und Pflichten. Gleichzeitig mit der "Veröffentlichung" der Hochschule kommt es zur "Entstaatlichung", die gerade keine Privatisierung meint (ebd., S. 192). Die Hochschulen werden befreit von der staatlichen Wissenschaftsverwaltung, erhalten dadurch mehr Eigenverantwortung und Haftung. Andererseits gehört zum republikanischen Prinzip auch, daß sich die Menschen um ihr Eigentum kümmern. Nur wenn sie sich dieses Wertes bewußt sind, können sie verantwortlich damit umgehen. So kommen z. B. die Prioritäten für die Forschung aus der Öffentlichkeit. Erst mit dem öffentlichen Auftrag kann die Wissenschaft Verantwortung für die Gesellschaft tragen. (ebd., S. 171) An dieser Stelle greift die ökologische Option: Leitidee der Wissenschaft muß der "Überlebensimperativ" (ebd., S. 168) sein. Die Forschung muß auf die Bereiche konzentriert werden, die überlebensrelevante Probleme lösen helfen. Aktuelles Ziel der Wissenschaft ist es, die Selbstzerstörung der menschlichen Gattung rückgängig zu machen. Die Wissenschaft ist nach wie vor unerläßliches Mittel, die anstehenden gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Allerdings müssen die Menschen als Eigentümer für ihre Weiterentwicklung und Weitergabe Verantwortung tragen. Dazu bedürfen sie der Einsicht, daß Wissenschaft ein (Über-)Lebensmittel ist, und müssen die Möglichkeiten und Risiken ihrer Zeit erkennen. (ebd., S. 269)

Ausgehend von diesen Überlegungen bestimmt Daxner die Aufgaben der Hochschule. Neben Studium, Forschung und Dienstleistung ist für ihn die Schaffung einer kompetenten Öffentlichkeit erstrangige Aufgabe der Universitäten (ebd., S. 270). Im Gegensatz dazu sind nur Forschung, Lehre und Studium explizit im § 2 Abs. 1 HRG als Aufgaben festgeschrieben. Immerhin findet sich in § 3 Abs. 1 HSG des Landes Sachsen-Anhalt schon eine erweiterte Aufgabendefinition mit der Formulierung "Forschung [, ...] Lehre, Studium und Weiterbildung" (Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt 1998, S. 13f.). Dienstleistungen und die Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit sind allerdings nachrangige Aufträge. Einige ökonomisch orientierte Modelle der Hochschule unterscheiden die primären Aufgaben Forschung, Lehre und Studium von den sekundären Aufgaben Selbstverwaltung, externe Dienstleistungen und sonstige Aufgaben, wozu auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit gezählt wird (Nietiedt 1996, S. 30ff.; Nolte 1998, S. 15f.). Diese Modelle sind dort ausführlich dargelegt; für meine Arbeit soll es allerdings genügen, wenn ich mich im folgenden auf die vier von Daxner genannten Aufgabenkomplexe beschränke. Nachfolgend möchte ich überblicksartig auf sie eingehen.

Studium (oder Lehre) bezeichnet den Prozeß der Weitergabe, der Vermittlung von Wissen. Ziel ist die Ausbildung der Studierenden, d. h. die fachliche Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit. Besonders wichtig ist dabei die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden, nicht zuletzt auch zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. In die "bildende Kraft wissenschaftlicher Spezialbeschäftigung" (Peisert/Framhein 1994, S. 11) wird das Vertrauen gesetzt, auch die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung zu befördern.

Unter Forschung versteht der Wissenschaftsrat "methodisch geleiteten Erkenntnisgewinn" (zit. in Nietiedt 1996, S. 32). Dabei unterscheidet Sauter-Sachs in Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Aktionsforschung (1992, S. 82). Allerdings wird die Aktionsforschung hier als begleitende Forschung im sozialen Feld verstanden, so daß sie prinzipiell auch zur angewandten Forschung gerechnet werden könnte. Wichtiger ist die Abgrenzung von hochschulfinanzierter Grundlagen- und angewandter Forschung von der Auftrags- oder Drittmittelforschung. Diese Form ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Auftraggeber einen konkreten Forschungsauftrag erteilt, finanzielle Unterstützung gewährt und die Anwendung der Ergebnisse übernimmt. Als Aufgaben der Forschung werden in § 29 HSG des Landes Sachsen Anhalt "die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse, die wissenschaftliche Grundlegung und Weiterentwicklung von Lehre und Studium sowie die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses" (Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt 1998, S. 34) genannt. Träger der Grundlagenforschung sind in erster Linie die wissenschaftlichen Hochschulen, wohingegen bei den Fachhochschulen der Schwerpunkt auf der angewandten Forschung liegt.

Neben den beiden Hauptaufgaben der Universitäten bieten diese meist weitere Leistungen, die sog. Dienstleistungen, an. Dazu zählen die Krankenversorgung, Rechts- und Unternehmensberatung, Gutachtertätigkeit und kulturelle Angebote wie z. B. öffentliche Vorträge oder künstlerische Aufführungen. Auch die Weiterbildung wird als Komponente der Dienstleistungen angesehen (Peisert/Framhein 1994, S. 11f.); dazu kommen noch Technologie- bzw. Wissenschaftstransfer und Selbstverwaltungsaufgaben. Der Schweizerische Wissenschaftsrat versteht unter Dienstleistungen "die Gesamtheit der kurzfristigen Leistungen der Universitätsangehörigen an die Öffentlichkeit" (zit. in Sauter-Sachs 1992, S. 83). Diese Definition greift allerdings zu kurz, so ist z. B. die medizinische Versorgung nur im Fall des einzelnen Patienten eine kurzfristige Dienstleistung, insgesamt ist sie auf Dauer angelegt. Auch die Selbstverwaltungsaufgaben sind von dieser Begriffsklärung nicht erfaßt, denn sie werden im engeren Sinne nicht für die Öffentlichkeit erbracht.

Als vierten Aufgabenkomplex der Hochschulen nennt Daxner die Schaffung einer kompetenten Öffentlichkeit. Diese Funktion wird in der Literatur zumeist als Teilbereich der Dienstleistungen betrachtet, nicht aber in dieser Deutlichkeit als wesentliche Aufgabe formuliert. Doch Daxner hält sie für unverzichtbar bei jedem Versuch einer Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Hochschulwesen und Öffentlichkeit (1996, S. 165). Ausgehend von der Prämisse, daß die Hochschulen sich im öffentlichen Eigentum befinden und für die Gesellschaft tätig sind, muß eben diese Gesellschaft den Auftrag und die Aufgaben der Universitäten bestimmen. Dazu benötigt die Öffentlichkeit Kompetenz, sonst kann sie ihre Partizipationsansprüche nicht einlösen. Dann wäre die wissenschaftliche Expertise wertlos, da die Menschen ihre Bedeutung nicht bemessen könnten. Die ökologische Option würde nicht genutzt, das Überleben der Menschheit wäre zumindest anzuzweifeln. Die Hochschule muß sich daher als Vermittlungsinstanz zwischen Alltagswissen und wissenschaftlicher Erkenntnis begreifen. "Veröffentlichung von Wissenschaft" kann in Form von Erwachsenenbildung, Weiterbildung oder Fernstudien geschehen, aber sich auch neuartiger Konzepte, die "die Öffentlichkeit wenigstens zur Mitberatung über wissenschaftliche und technologische Problemlösungsstrategien" (Daxner 1996, S. 168) befähigen, bedienen. Hier ist die universitäre Öffentlichkeitsarbeit in besonderer Weise gefragt.

Die im Rahmen dieser Aufgaben von den Hochschulen erbrachten Leistungen zeichnen sich durch ihren "primär immateriellen Charakter" (Nolte 1998, S. 15) aus. Bei den Vertretern der wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise herrscht deshalb Einigkeit darüber, daß es sich bei Universitäten um Dienstleistungsunternehmen handelt (vgl. Heinisch/Lanthaler 1993, S. 9ff.; Nietiedt 1996, S. 50f.; Nolte 1998, S. 15). Hinzu kommt der Non-Profit-Charakter der Hochschule. Luthe definiert allgemein, daß Non-Profit-Organisationen "nicht kommerziellen Zwecken im Sinne einer Profiterwirtschaftung zugunsten einzelner Personen dienen." (1994, S. 1) Die Hochschulen erbringen Leistungen für die Öffentlichkeit, "ohne dafür grundsätzlich eine Gegenleistung zu verlangen" (Nolte 1998, S. 15). Indirekt erhalten die Hochschulen natürlich Gegenleistungen, etwa die Finanzmittel aus den Staatshaushalten, allerdings gibt es keinen direkten Austausch Ware gegen Geld. Damit nimmt die Universität nicht am marktwirtschaftlichen Tauschvorgang teil. (Heinisch/Lanthaler 1993, S. 9)

Festzustellen bleibt, daß die Hochschule eine Non-Profit-Organisation ist, die entsprechend dem Charakter ihrer "Produkte" als Dienstleistungseinrichtung beschrieben werden kann. Ihre zentralen Aufgaben liegen in Studium, Forschung, Dienstleistung und Schaffung einer kompetenten Öffentlichkeit. Trotz der offensichtlich relativ klar umrissenen Funktion des Hochschulwesens in der Gesellschaft befindet es sich in einer andauernden Krise. Diese Misere hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich entwickelt, vereinzelte Ansätze zur Besserung der Situation waren bisher auf längere Dauer nicht tragfähig.

Das folgende Kapitel wird sich mit den Ursprüngen der Universität beschäftigen, dabei aber besonderen Wert auf die Entwicklung in den letzten dreißig Jahren legen. Zum Abschluß sollen die aktuellen Problemfelder in der Diskussion um eine Hochschulreform skizziert werden.

2.3 Die historische Entwicklung der Hochschule

Für die deutsche Hochschultradition sind besonders zwei geschichtliche Perioden von Wichtigkeit: erstens die mittelalterlichen Universitätsgründungen, und zweitens die neuhumanistische Universitätsreform in Preußen Anfang des 19. Jahrhunderts (Peisert/Framhein 1994, S. 2). Die ersten Universitäten, z. B. in Bologna und Paris, wurden im Europa des 12. Jahrhunderts gegründet. Der Begriff "universitas" bedeutete eigentlich die Gesamtheit der Studierenden (universitas scolarium) bzw. die Gesamtheit der Lehrenden (universitas magistrorum), die eigentlichen Institutionen wurden als "studium generale" bezeichnet (Sauter-Sachs 1992, S. 95). Sie waren mit päpstlichen und kaiserlichen Privilegien ausgestattet und besaßen damit u. a. das Recht auf weitgehende Selbstverwaltung und Verleihung akademischer Grade. In ihrer Struktur waren sie in eine propädeutische Artistenfakultät und die höheren Fakultäten Recht, Medizin und Theologie gegliedert. (Peisert/Framhein 1994, S. 2) Auf deutschem Boden entstanden die ersten Universitäten erst etwa 150 Jahre später, so in Prag (1348) und Wien (1365). In den zahlreichen Kleinstaaten entstanden sukzessive relativ viele Universitäten, die als staatliche Einrichtungen die Aufgabe hatten, Staats- und Kirchendiener auszubilden. (ebd.) Im 18. Jahrhundert geriet das Universitätswesen in eine geistige Krise, denn vielfach war die Ausbildung zur "Repetierung überlieferter und erstarrter Wissensbestände" (ebd., S. 3) verkommen. In dieser Zeit bereiteten "moderne" Universitätsgründungen, z. B. in Halle und Göttingen, die grundlegende Erneuerung des Hochschulwesens vor. Die neuhumanistische Universitätsreform ist eng mit dem Namen Wilhelm von Humboldt verbunden. Seine Ideen – die Einheit von Forschung und Lehre, Einsamkeit und Freiheit als Voraussetzung für die wissenschaftliche Tätigkeit, Autonomie der staatlich getragenen Institution und Selbstverwaltung durch die Ordinarien, Abgrenzung der universitären Bildung von Schule und Beruf (vgl. Rebe 1991, S. 14; Sauter-Sachs 1992, S. 97; Peisert/Framhein 1994, S. 3; Nietiedt 1996, S. 21) – waren maßgebend für die 1809/1810 gegründete Universität Berlin, die daraufhin zum Leitbild der deutschen Universitäten insgesamt wurde. Das Modell der vier Fakultäten, in dem die Philosophie zu den bestehenden drei Fakultäten hinzukam, prägte die Organisationsstruktur der Hochschulen der Bundesrepublik bis in die siebziger Jahre.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Wiederaufbau des föderalistisch strukturierten Hochschulwesens, erneut standen Humboldts Ideen Pate. Die Universität war zunächst nur auf die wissenschaftliche Bildung einer schmalen Elite ausgerichtet. (Peisert/Framhein 1994, S. 6) Doch schon Mitte der fünfziger Jahre begann die erste Expansion der Studierendenzahlen. 1960 nahmen schon acht Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium auf, zehn Jahre zuvor waren es noch vier Prozent. Aufgrund der erheblich höheren Anzahl der Studierenden kam es zu einem umfangreichen Hochschulaus- und -aufbau in den sechziger Jahren. Insgesamt wurden bis 1977 zu den bestehenden 38 Hochschulen weitere 24 Universitäten und Gesamthochschulen gegründet. Im selben Zeitraum stieg die Studierendenzahl von 291.000 auf 885.000 (Nietiedt 1996, S. 22). Parallel zum quantitativen Wachstum des Hochschulsektors setzte ein grundlegender Strukturwandel des Hochschulsektors ein. Eine Komponente war die sich entfaltende bildungspolitische Debatte, die einerseits vom Bedarf hochqualifizierter Arbeitskräfte, andererseits von Dahrendorfs Anspruch "Bildung ist Bürgerrecht" motiviert war (Peisert/Framhein 1994, S. 6). Auf der anderen Seite kritisierte die Studentenbewegung von 1968 das Hochschulsystem wegen der unzulänglichen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und forderte die umfassende Demokratisierung von Hochschule und Gesellschaft (ebd., S. 8). Als Ergebnisse der kontroversen Diskussion sind die Abschaffung der Ordinarien- und Errichtung der Gruppenuniversität, also der Aufbau von demokratischen Strukturen bei der Universitätsleitung, sowie die Stärkung der Bundeskompetenz im Hochschulsektor zu nennen (Nietiedt 1996, S. 22f.). Diese 1969 im Grundgesetz verankerte Zuständigkeit führte einerseits zum erneuten Ausbau der Hochschulkapazitäten – u. a. mit den Fachhochschulen als neuem Hochschultyp – als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, andererseits äußerte sie sich im Hochschulrahmengesetz von 1976. Dieser erstmalig länderübergreifende gesetzliche Rahmen für das Hochschulwesen schloß gewissermaßen die Phase der öffentlichen Reformdiskussionen ab (Peisert/Framhein 1994, S. 10).

Dennoch waren die Probleme der Hochschule damit nicht gelöst. Die Zeit des Ausbaus des Hochschulsystems ging ihrem Ende zu, da sich die staatliche Finanzlage in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre verschlechterte. Der Ansturm der Studierwilligen aber verebbte nicht, ganz im Gegenteil, die Zahl der Studienanfänger stieg kontinuierlich. Deshalb wurde gemeinsam von Bund, Ländern und Hochschulen im November 1977 der sog. "Öffnungsbeschluß" gefaßt, der den prinzipiell offenen Hochschulzugang auch für den sich abzeichnenden Andrang der geburtenstarken Jahrgänge regelte. Angesichts unzulänglicher räumlicher und personeller Kapazitäten war man entschlossen, zeitweilig Überlastbedingungen zu akzeptieren, aber auch gezielt Überlasthilfen (z. B. Hochschulsonderprogramme) aufzuwenden (ebd.). Der Schönheitsfehler dieser nur als temporärer Ausnahmezustand geplanten Maßnahme war die späte Erkenntnis, daß entgegen allen Prognosen die Anzahl der Studierenden nicht wieder sank, sondern weiter anstieg. Zurückzuführen war dies auf den erhöhten Prozentsatz der Studienanfänger eines Altersjahrganges – 1990 waren es etwa 25 Prozent (Peisert/Framhein 1994, S. 6) – sowie auf die längere Verweildauer der Studierenden an den Hochschulen (ebd., S. 59ff.). Die achtziger Jahre waren deutlich von der Überlastsituation geprägt, wobei die Hochschulen feststellten, daß der "Öffnungsbeschluß allein zu Lasten der Hochschulen umgesetzt worden sei." (Nietiedt 1996, S. 23)

In den neunziger Jahren kamen durch den Auf- und Umbau des Hochschulwesens in den neuen Bundesländern erneut erhebliche Belastungen auf das Wissenschaftssystem zu. Es wurden Hochschulen geschlossen und gegründet, im Bereich der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mußten Fakultäten grundlegend neu aufgebaut werden. Die Fachhochschule entstand in den östlichen Bundesländern als neuer Hochschultyp. (Peisert/Framhein 1994, S. 25ff.) Allerdings änderte sich die Situation des Hochschulsystems insgesamt nicht wesentlich. Zwar kamen neue Kapazitäten zur Hochschullandschaft hinzu, aber deren Modernisierung und Angleichung an westliche Standards beanspruchte enorme finanzielle Anstrengungen. Die im Verhältnis zu den räumlichen und personellen Kapazitäten niedrige Studierendenzahl in der DDR wuchs in den neunziger Jahren stetig an, so daß sich auch durch die nun größere Anzahl von Hochschulen keine nennenswerte Entspannung für die Situation der Studierenden insgesamt ergab. (vgl. HRK 1996b, S. 1ff. und S. 21f.)

Die Gründe der aktuellen Lage der Hochschulen sind in der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten dreißig Jahre zu suchen. Hösle stellte 1992 fest, daß die Hochschulkrise "seit mindestens 25 Jahren ein Gemeinplatz" (S. 47) sei. Obwohl ein dauerhaftes öffentliches Interesse an der Lösung der Probleme existiert, wurde der Reformgedanke in der Öffentlichkeit nur selten wieder mit der Intensität thematisiert wie Ende der sechziger Jahre. Die verantwortlichen politischen und wissenschaftlichen Gremien diskutieren seit Jahren die Notwendigkeit der Reformen, denn "der Befund einer tiefgehenden Krise wird allgemein geteilt" (Daxner 1996, S. 17), allein in der Praxis ist bis auf punktuelle Symptombehandlungen nichts passiert.

Ich werde an dieser Stelle nicht weiter der Frage nachgehen, warum keine durchgreifenden Reformen angepackt werden. Stattdessen will ich mich auf die Darstellung der Problembereiche konzentrieren und daraus nachfolgend den Kommunikationsbedarf der Hochschulen ableiten.

2.4 Aktuelle Problemfelder im Hochschulwesen

Einigkeit besteht darüber, daß der Qualifikation der Menschen in einem rohstoffarmen Hochlohnland höchste Bedeutung zukommt. Bildung und Wissen sind in der erwarteten Informationsgesellschaft die wichtigsten Bedingungen für wirtschaftlichen Erfolg (Nietiedt 1996, S. 1; Meyer 1998, S. 23). Die Nachfrage nach höherer Bildung übersteigt, wie in Kapitel 2.3 dargestellt, alle Kapazitätsgrenzen. Folgende Problembereiche werden deshalb in der Literatur benannt: die Finanzierung, die Anzahl der Studierenden, die Leistungsfähigkeit und die Beziehung zur Öffentlichkeit. Sie sollen an dieser Stelle kurz diskutiert werden.

Dominant in der Diskussion um die kritische Situation der Hochschulen ist die Frage der Finanzierung. Das Hochschulsystem Deutschlands wird überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Private Drittmittel stellten im Jahr 1993 insgesamt nur einen Anteil von 1,9 Prozent an der Hochschulfinanzierung (HRK 1996b, S. 2). Steigenden Kosten von Lehre und Forschung steht die sinkende Finanzmittelausstattung der Universitäten diametral entgegen. Nietiedt hält fest, daß die Nettoausgaben der öffentlichen Hand für die Hochschulen, gemessen am Bruttosozialprodukt, die im Jahr 1975 noch 1,32 Prozent betrugen, auf 0,93 Prozent im Jahr 1992 sanken (1996, S. 2). Beispielhaft sei die Situation im Land Sachsen-Anhalt angeführt: der Haushaltsentwurf 1999 sah die Kürzung des Etats der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gegenüber dem letzten Jahr um 65 Millionen DM vor. Erst nach massiven Protesten konnte die Regierung zum Einlenken bewegt werden. Nunmehr ist nur noch eine Senkung der Haushaltsmittel um rund 30 Millionen DM zu verkraften. (Schwendtner 1999, S. 1) Eine Konsolidierung der finanziellen Situation der Hochschulen scheint im Kontext der allgemein schwierigen Wirtschaftslage und sinkender Steuereinnahmen von Bund und Ländern nicht in Sicht. Die HRK hatte bereits 1992 errechnet, daß zur Wiederherstellung der Arbeitsbedingungen von 1977 ein finanzieller Mehrbedarf von jährlich neun Milliarden DM bestünde (1996b, S. 25). Angesichts dieser Finanzierungslücken schließt Nolte, daß "Drittmittel in Zukunft eine wichtige Rolle spielen" (1998, S. 18) werden. Die HRK erwägt die Möglichkeiten, verstärkt Sponsoringmittel, Einnahmen aus Dienstleistungen, Finanzierungen über den Kapitalmarkt und Studiengebühren zur Deckung der Haushaltslöcher einzusetzen (1996b, S. 35ff.). Ein intensiverer Wettbewerb um diese Mittel wäre die logische Folge. Weitere Lösungsvorschläge bauen auf die Erweiterung der Autonomie der Hochschulen, die z. B. im Rahmen von Globalhaushalten langfristig eigenständig planen könnten.

Die Anzahl der Studierenden ist ein weiterer Problembereich. Im Wintersemester 1994/95 erreichte die Zahl der eingeschriebenen Studierenden mit etwa 1,87 Millionen einen neuen Höchststand (Statistisches Bundesamt 1999, o. S.). Dem stehen allerdings nur rund 900.000 flächenbezogene Studienplätze gegenüber. Somit teilen sich zwei Studierende einen Studienplatz. (Nietiedt 1996, S. 2) Seit dem Öffnungsbeschluß 1977 ist die Anzahl der insgesamt Immatrikulierten stetig gestiegen (vgl. Peisert/Framhein 1994, S. 65). In den letzten Jahren – zwischen 1993 und 1998 – hat sich die Zahl auf hohem Niveau bei etwa 1,83 Millionen stabilisiert (Statistisches Bundesamt 1999, o. S.). Aus der "Überlast auf Zeit" ist eine Dauerlast geworden. Die hohen Studierendenzahlen erfordern einen außerordentlichen personellen und räumlichen Aufwand, der angesichts der Finanzlage derzeit nicht zu erbringen ist. Entsprechend leidet die Studienqualität, was sich wiederum auf die Studiendauer und die Abbrecherquote auswirkt. Für die Zukunft werden unterschiedliche Prognosen gewagt. Willems erkennt im europäischen Maßstab einen Rückgang der Altersgruppe zwischen 20 und 24 Jahren um 25 Prozent zwischen 1985 und 2000 (1992, S. 134). Auch Nolte geht davon aus, daß sich zukünftig "das Potential an Studenten verknappt." (1998, S. 19) Dagegen sagt die HRK steigende Studienanfängerzahlen voraus und erwartet auch im günstigsten Fall keine Senkung der Gesamtzahl der Studierenden (1996b, S. 21). Hinzu kommt die steigende Bedeutung der Weiterbildung (Willems 1992, S. 134). Die HRK hat sie schon als Bereich ausgemacht, in dem mittels universitärer Dienstleistungen neue Einnahmen zu erzielen sind (1996b, S. 36ff.). Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich die Studierendenzahlen auch weiterhin auf hohem Niveau befinden werden. Eine Entspannung durch den Rückgang der Anzahl der Studierenden ist wohl eher nicht zu erwarten. Zur Lösung des Problems wird u. a. die verstärkte Auswahl der Studierenden durch die Hochschulen erörtert. Einerseits wird sich dadurch die Senkung der Quote der Studienabbrecher versprochen, womit die knappen universitären Ressourcen geschont werden können (Heinisch/Lanthaler 1993, S. 21). Andererseits sind "geeignete Studierende" (Meyer 1998, S. 26) die beste Grundlage für hohe Leistungen im Studium, mit denen die Hochschulen wiederum um Prestige und Finanzmittel konkurrieren. Auch hier scheint im Wettbewerb ein erfolgversprechender Ansatz zu liegen.

Weiterhin wird die mangelnde Leistungsfähigkeit der Hochschulen debattiert. Seitens der Studierenden werden qualitative Verbesserungen der Studiengänge (inhaltliche Studienreform) gefordert und die Erweiterung der Kapazitäten in der Lehre sowie bessere Ausstattung der Hochschulen eingeklagt (Bargel 1993, S. 8). Durch die geringere Grundausstattung der Universitäten und die Überlast der Lehrverpflichtungen hat sich das "Kräfteverhältnis von universitärer Forschung und Forschung an außeruniversitären Einrichtungen [...] zunehmend zuungunsten der Universitäten verschoben." (HRK 1996b, S. 13) Betont wird nicht zuletzt die Notwendigkeit der "Wiedergewinnung nur allzuoft verlorengegangener, wissenschaftlicher Qualitätsstandards." (Markl 1998, S. 40) Die Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität in Lehre und Forschung haben zu einer Effizienzdebatte in der Öffentlichkeit geführt. So stellt Meyer fest, daß "ineffizienter Umgang mit erheblichen Finanzmitteln einer der wesentlichen Ansatzpunkte für öffentliche Kritik an den Hochschulen" (1998, S. 24f.) sei. Deshalb fordert er als Eckpunkte des wissenschaftlichen Aufschwungs Effizienzsteigerung, Qualitätssicherung und Innovationsfähigkeit. Wirtschaftliche Grundsätze für Organisations- und Entscheidungsstrukturen (ebd., S. 25) werden ebenso als Lösungsansätze gehandelt wie eine Differenzierung in der Einheit von Forschung und Lehre. So wird vorgeschlagen, daß nicht mehr jede Person im einzelnen, sondern die Institution, z. B. das Institut, beide Funktionen erbringen muß. Damit wäre individuell eine stärkere Konzentration auf bestimmte Aufgaben möglich. (vgl. HRK 1998b, S. 64f. und S. 76) Die HRK ist im Bereich der Leistungsevaluation aktiv und führt z. Zt. ein Projekt zur Qualitätssicherung, das "Projekt Q", durch (vgl. HRK 1999b, o. S.). Die Befreiung von staatlicher Reglementierung und stärkere Profilbildung der Hochschulen sollen den Weg aus der Krise ebnen (Meyer 1998, S. 25ff.). Insgesamt scheint der Wettbewerbsgedanke als Motor für die Stärkung der universitären Leistungsfähigkeit höchste Priorität zu haben.

Vierter hier zu diskutierender Problembereich ist die Beziehung zwischen Hochschulen und Öffentlichkeit. Vielerorts wird festgestellt, daß dieses Verhältnis durch überwiegend negative Einstellungen geprägt ist (vgl. Nietiedt 1996, S. 3f.; Daxner 1996, S. 13; Nolte 1998, S. 20f.). Grundlegend ist eine allgemeine Skepsis gegenüber der Wissenschaft erkennen. Viele Menschen teilen "die Empfindung des Ausgeliefertseins an einen als unausweichlich erfahrenen und dazu noch äußerst rasanten wissenschaftlich-technologischen Entwicklungsprozeß" (Rebe 1991, S. 28). Viele aktuelle Probleme der Menschheit entstanden erst durch die Errungenschaften der Wissenschaft, die Gefahren der zunächst als Fortschritt empfundenen Technologien wurden allerdings später ebenfalls nur durch die Wissenschaft entdeckt. Hösle schreibt, daß "viele der die Menschheit bedrohenden Gefahren von der modernen Wissenschaft ausgehen; die Möglichkeit des Holozids war vormodernen Kulturen in der Tat verschlossen." (1992, S. 61) Darüber hinaus werden aktuelle Bereiche der Forschung in der Öffentlichkeit überaus kritisch bewertet, so z. B. die Atomphysik und der Komplex Gentechnik/Biotechnologie (Dettmar 1994, S. 10). In der Medizin, speziell in den Bereichen der Krebs- und Aidsforschung, sind trotz andauernder Bemühungen noch keine effektiven Heilmittel gefunden worden. Das generelle Mißtrauen gegenüber Wissenschaft und Forschung belastet die Beziehung zwischen Hochschulen und der Gesellschaft schwer, allerdings kann nur die Wissenschaft zur Lösung der Menschheitsprobleme beitragen. Sie allein kann "Entwicklungen, Gefahren oder Handlungszwänge mit vergleichsweise hoher Präzision und Trennschärfe erkennen" (Daxner 1996, S. 165). Forschungsbereiche wie die Technikfolgenabschätzung werden immer wichtiger.

Zugleich fordert die Öffentlichkeit vermehrt Einblick in das System Hochschule. Die Universitäten befinden sich unter einem Legitimationsdruck, müssen Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen (Nolte 1998, S. 20). So finanziert indirekt die Gesellschaft über ihre Steuerabgaben das Hochschulwesen. Berechtigterweise hat sie ein Interesse daran, zu erfahren, wozu und wie effektiv ihr Geld verwendet wird. Die Informationsbedürfnisse richten sich aber auch auf die Qualität der Ausbildung und die Anwendbarkeit der Forschung. Politiker fragen nach den Kosten der Lehre, die Wirtschaft interessiert sich für die Qualifikation der Absolventen sowie innovative Forschungsleistungen und die Studierwilligen wollen sich einen Überblick über Studieninhalte und Betreuungsqualität verschaffen. Obwohl die Informationspflicht der Hochschulen gesetzlich verankert ist, scheinen die bisherigen universitären Kommunikationsaktivitäten nicht auszureichen. Anders ist die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu erklären. So verweist Nolte auf die "unzureichende Informationsversorgung der Öffentlichkeit" (1998, S. 20). Die zur Überwindung der Kommunikationsprobleme eingerichteten Pressestellen haben die in sie gesteckten Erwartungen vielfach nicht erfüllt. Eine Vielzahl von elementaren Defiziten verhinderten eine effiziente Kommunikation (Nietiedt 1996, S. 7).

Die angerissenen Problemfelder lassen erkennen, daß es sich bei der Krise der Universität um eine komplizierte Thematik handelt. Die vielfach voneinander abhängigen und aufeinander bezogenen Probleme Finanzierung, Anzahl der Studierenden, Leistungsfähigkeit und Beziehung zur Öffentlichkeit bilden ein Knäuel von Herausforderungen, welches mit vereinzelten Aktivitäten nicht zu lösen ist.

2.5 Der Kommunikationsbedarf der Hochschulen

Aus der organisationstheoretischen Betrachtung der Hochschule wurde deutlich, daß die divisionale Struktur einen erheblichen internen Kommunikationsbedarf nach sich zieht. Über diese besondere, von relativ großer Autonomie der Fachbereiche geprägte Kommunikationssituation hinaus spielen die Beziehungen zu externen Entscheidungsträgern eine wichtige Rolle. Durch die Abhängigkeit von den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, die Bund und Länder den Hochschulen vorgeben, und der Fachaufsicht der verantwortlichen Ministerien im Verwaltungsbereich ist die Interessenvertretung bei den zuständigen staatlichen Stellen unverzichtbar.

Die Hochschulen sind entsprechend dem immateriellen Charakter ihrer Leistungen als Dienstleistungsunternehmen typisiert worden. Diese Leistungen erbringen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Lehre, Forschung, Dienstleistungen und Schaffung einer kompetenten Öffentlichkeit. Diese Tätigkeitsfelder erfordern Kommunikationsbeziehungen mit den unterschiedlichsten Bezugsgruppen. Im Zusammenhang des Studiums sind potentielle, aktuelle und ehemalige Studierende die hauptsächlichen Kommunikationspartner. Im Rahmen der Forschung sind Beziehungen zu wissenschaftlichen Fachkreisen, aber auch der Wirtschaft zu unterhalten. Im Dienstleistungssektor steht die Universität mit heterogenen Gruppen wie z. B. Unternehmen, Organisationen, Behörden oder Patienten in Kontakt. Die ganze Gesellschaft steht schließlich im Blickpunkt der Kommunikationsaktivitäten, wenn es um die Schaffung einer kompetenten Öffentlichkeit geht. Ohne hier weitere Differenzierungen vornehmen zu wollen, kann festgestellt werden, daß die vielfältigen Aufgaben der Hochschulen ein immenses Ausmaß von Kommunikationsbeziehungen nach sich ziehen, die aufgebaut und gepflegt werden müssen.

Aus der Entwicklung des Hochschulsystems und der Gesellschaft in den vergangenen dreißig bis vierzig Jahren hat sich einen zugespitzte Situation für das Hochschulwesen herauskristallisiert. Angesichts steigender Studierendenzahlen, deren Überlast im Laufe der Jahre zur Dauerlast wurde, sanken sowohl die Qualität des Studiums als auch das Ansehen der Hochschulen in der Öffentlichkeit. Begleitet wurde diese Entwicklung von der sich zusehends verschlechternden Finanzlage der öffentlichen Hand, sodaß auch die personelle und sachliche Ausstattung der Universitäten nicht bedarfsgerecht erweitert werden konnte. Die Leistungsfähigkeit und Effizienz von Lehre und Forschung wurden verstärkt hinterfragt. Eingebettet in eine zunehmend wissenschaftskritische Haltung in der Gesellschaft wurde durch die Forderung nach umfassender Rechenschaft und Nachweis der Leistungsfähigkeit das Selbstverständnis der Hochschule stark erschüttert.

Das Fortschreiten der Legitimationskrise der Universität kann nur durch intensive Kommunikationsbeziehungen mit den verschiedenen Bezugsgruppen aufgehalten und zum Besseren gewendet werden. Dabei sind neue Wege in der Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule zu gehen. Zentral ist die Forderung nach konzeptioneller Fundierung der Aktivitäten. Nur ausgereifte Kommunikationsstrategien können ernstgemeinte Ansätze zur Erfüllung der vielfältigen kommunikativen Aufgaben der Universitäten darstellen. Allerdings kann die strategische Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit nur ein Standbein der Erneuerung sein, denn die Probleme lassen sich kommunikativ nicht lösen, wenn die notwendigen Reformen des Hochschulsystems nicht angepackt werden.

Als Weg aus der Krise scheint es, der Literatur folgend, nur einen Weg zu geben: mehr Wettbewerb. Das marktwirtschaftliche Prinzip, nach dem Konkurrenzdruck zu höherer Leistung führt, soll ansatzweise auch in die Hochschullandschaft eingeführt werden. "These [...] challenges [...] oblige universities, (sic - d. V.) to adapt themselves somewhat to the market." (Willems 1992, S. 134) Leistungskriterien sollen zunehmend bei der Bemessung der den Hochschulen von staatlicher Seite zugewiesenen Finanzmitteln eine Rolle spielen. Eine Profilierung der einzelnen Hochschulen wird angestrebt. Die HRK initiierte z. B. ein Pilotprojekt "Profilbildung", wobei ein Set von Indikatoren entwickelt wurde, das die Vergleichbarkeit der Hochschulen ermöglichen und damit eine höhere Transparenz der universitären Leistungen bewirken sollte (HRK 1993, 1994 und 1996a). Zusätzlich zur nationalen Konkurrenz treten im Zuge des Zusammenwachsen Europas auch die europäischen Hochschulen in den Wettbewerb ein.

Aus dem Trend zur stärkeren Marktorientierung folgt zwingend eine Ausweitung der Kommunikationsbemühungen. Einerseits muß der Bedarf an universitären Leistungen ermittelt werden, um entsprechende Angebote unterbreiten zu können, andererseits sind gezielte Maßnahmen notwendig, um Studierende und wissenschaftliches Personal für die eigene Hochschule zu interessieren. Der Handlungsbedarf für die Universitäten ist evident.

Im nächsten Kapitel soll es um die Stellen an den Hochschulen gehen, die originär für die Kommunikationsbeziehungen der Universitäten zuständig sind: die Pressestellen. Beginnend mit einem Überblick zur Öffentlichkeitsarbeit allgemein soll eine Definition der Hochschul-PR erarbeitet werden. Im folgenden soll die Entstehung der Pressestellen in den letzten vierzig Jahren kurz skizziert werden. Daran anschließend soll ihre Stellung in der Organisationsstruktur der Hochschule beleuchtet und Aufgaben und Funktion ermittelt werden. Im letzten Teil des nachfolgenden Kapitels geht es um die Methoden und Instrumente, die zur Erreichung ihrer Aufgaben eingesetzt werden.